Digitalisierung: Beschaffung an einem Wendepunkt – Controller gefordert

Gastbeitrag von: Hans-Nicolai Hars, Senior Director für Procurement DACH bei The Hackett Group (ICV-Firmenmitglied) über die wichtige Rolle des Controlling bei der Procurement-Digitalisierung

Eine typische Beschaffungsorganisation hat die Möglichkeit, bis zu 24 Prozent Prozesskosten einzusparen, wenn sie moderne digitale Technologien richtig nutzt. Die konsequente Einführung dieser Technologien hebt die Performance eines Peer Group Unternehmens auf heutiges World Class Niveau. World Class-Unternehmen liegen in den Kriterien Effizienz und Performance (Output, Leistung etc.) im Top Quartil aller Vergleichsunternehmen.

Weitere Ergebnisse unserer aktuellen World Class-Untersuchung: Die Beschaffungsabteilungen auf World Class-Niveau benötigen 22 Prozent weniger finanziellen Aufwand für Arbeitskosten, beschäftigen 29 Prozent weniger Festangestellte, sind aber weit effektiver und leistungsstärker als Unternehmen der durchschnittlichen Peer Group. Insgesamt sparen World-Class Unternehmen mit einem Umsatz von rund zehn Milliarden Dollar Umsatz bis zu sechs Millionen Dollar jährlich im Bereich der Funktionskosten von Beschaffung ein, einen zehnfachen Return-on-Investment der Einkaufsfunktionskosten.

Das zusätzliche Potenzial an Kostenersparnis durch Digitalisierung im Beschaffungsbereich ist dramatisch: Peer Group-Unternehmen können durch Einsatz von Robotic Prozess Automatisierung, hochentwickelten Analyseverfahren, Cloud Technologie und weiteren digitalen Transformationen bis zu 24 Prozent ihrer Prozesskosten senken; World Class-Unternehmen können durch konsequenten Einsatz digitaler Technologien bis zu 35 Prozent sparen.

Diese enormen Veränderungen im Einkauf haben auch unmittelbare Auswirkungen auf den Finanzbereich, für den unsere Studien noch größere Veränderungen durch Digitalisierung prognostizieren als im Procurement – eine enge Abstimmung zwischen Beschaffung / Einkauf und Controlling wird unabdingbar. Denn der gemeinsame Procure-to-Pay (P2P)- -Prozess von der Bestellung bis zur Bezahlung wird durch die Digitalisierung zu mindestens 80 Prozent automatisiert werden, sowohl auf der Einkaufs- als auch auf der Finanzseite. Vor allem der differenzierte Einsatz Cloud-basierter end-to-end Systeme sowie von Bots zur Kontrolle und zur Dateneingabe auch über Systembrüche hinweg werden diesen hohen Automatisierungsgrad ermöglichen – erledigen diese Programme doch sich wiederholende Arbeiten ohne jegliche menschliche Interaktion vollautomatisch.

Auch was die Effektivität angeht, liegen World Class-Unternehmen mit konsequenter Digitalisierung der Beschaffung weit vorne: Fehlerquellen werden um den Faktor 2 bis 3 minimiert und die Fluktuation im Beschaffungsbereich wird um bis zu 45 Prozent kleiner.

Die Studie der Hackett Group identifiziert digitale Treiber für die Steigerung einer nachhaltigen Beschaffungs-Performance: Darunter digitale Verfahren zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit, Robotic Process Automatisierung von regelbasierten Aktivitäten, Cloud basierte Applikationen, gezielte Nutzung von Big Data, vorausschauende (predictive) Analysetechnik und Künstliche Intelligenz für verbesserte Prognosen und optimierte Entscheidungsprozesse.

Controlling kann und sollte bei der Ausgestaltung und Einführung dieser Prozesse, einschließlich der Festlegung zulässiger Risiken und entsprechender Kontrollmechanismen im P2P Prozess einen entscheidenden Beitrag leisten: Also – beispielsweise – wo ist wo  etwa ein herkömmlicher 3-way-match notwendig, bei dem kontrolliert wird, ob Mengen und Werte der Bestellung identisch sind mit Lieferung und Rechnung, wo ist ein assumed receipt (Bezahlung auf Basis von Bestellung und Rechnung ohne Wareneingangskontrolle) möglich oder ein ERS (Evaluated Receipts Settlement, die automatische Bezahlung nach Bestellung und Wareneingang ohne Rechnung).

Unsere Studie sieht Beschaffung an einem bedeutenden Wendepunkt: Digitalisierung minimiert die Kosten erheblich, sowohl bei typischen Unternehmen, als auch bei den Spitzenreitern der World Class. Sie schafft zudem eine Steigerung der Einkaufsleistung, reduziert Fehler, ermöglicht vorausschauende Erkenntnisse und Entscheidungen und kann völlig neue Dienstleistungen generieren. Digitale Transformation ermöglicht personalisierte Leistungserbringung, die am Kundenbedarf ausgerichtet und durch digitale Technologien unterstützt wird. Sie bedeutet weg von dem „one fits all“ Ansatz der Standardisierung. Digitale Transformation ist daher deutlich mehr, als eine reine Digitalisierung bestehender Geschäftsprozesse.

Controlling kann und sollte auch schon bei der Einführung der Digitalisierung – gleich in welchem Unternehmensbereich – eine wichtige unterstützende Rolle übernehmen: durch agiles steuern und implementieren mit Fokus auf kleinen, schnellen Schritten, die in der Summe zu großen Erfolgen führen.

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