Sino-German Controlling Forum 2016: Erfahrungsaustausch in zunehmend unsicherem Marktumfeld

Am 9. September fand in Shanghai das diesjährige „Sino-German Controlling-Forum“, unterstützt u.a. durch den Internationalen Controller Verein (ICV), statt. In einem Marktumfeld mit zunehmender Unsicherheit haben viele Unternehmen Maßnahmen zur Performancesicherung und -steigerung eingeleitet oder umgesetzt, darunter vor allem Maßnahmen zur Kostenoptimierung und Stärkung der lokalen Controlling-Funktion. Tagungsleiter Dr. Zhen Huang, Managing Partner von Shanghai De Chen Enterprise Management Consulting Co. Ltd., Mitglied im ICV, berichtet vom Forum:

Mehr als 120 CFOs, Manager und Fachkräfte für Finanzen oder Controlling sowie sonstige „non-finance“ Führungskräfte aus dem chinesisch-deutschen Unternehmenssektor in China nahmen am 2016 Sino-German Controlling Forum teil, das am 9. September 2016 in Suzhou bei Shanghai stattfand.

bild7

Das Forum ist die zurzeit größte Jahreskonferenz im Themenfeld „Controlling & Unternehmenssteuerung“ für die Firmen mit deutscher Beteiligung in China. Es war die vierte seit der ersten Veranstaltung im Oktober 2013. Organisiert und veranstaltet wird das Forum seit 2014 in enger Kooperation von Shanghai De Chen Consulting und AHK Shanghai. Die CA controller akademie und der ICV haben das Forum seit der ersten Veranstaltung unterstützt.

Das Motto der diesjährigen Veranstaltung war „Controlling for Local Excellence“. Das Wirtschaftswachstum in China hat sich deutlich verlangsamt. Unsicherheiten sowohl in der Realwirtschaft als auch in den Finanz- und Kapitalmärkten nehmen zu. Während in 2015 nur 30% der befragten Forumsteilnehmer die negative konjunkturelle Auswirkung auf deren Geschäft in China deutlich spürten, ist der Anteil in diesem Jahr um 6 Prozentpunkte gestiegen. Viele Unternehmen haben konkrete Maßnahmen zur Performancesicherung und -steigerung eingeleitet oder umgesetzt, darunter vor allem Maßnahmen zur Kostenoptimierung und Stärkung der lokalen Controlling-Funktion (siehe Abb. 1).

grafik-sino-forum-2016

Abb. 1: Aktuelle Maßnahmen der befragten Forumsteilnehmer zur Geschäftssicherung und -steigerung in China (Quelle: 2016 Forumsteilnehmerbefragung organisiert von Shanghai De Chen Consulting & AHK Shanghai)

Eröffnet wurde das diesjährige Forum von Christoph Angerbauer, Geschäftsführer German Industry & Commerce Shanghai, gefolgt von zwei Key Note Präsentationen aus der Wirtschaft. Angerbauer wies drauf hin, dass das Forum mit dem diesjährigen Motto „Controlling for Local Excellence“ gerade vor dem Hintergrund der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung in China zum richtigen Zeitpunkt stattfindet. Unternehmen sollen Controlling stärken, um den immer größer werdenden Herausforderungen, wie z. B. dem schnellen Anstieg der lokalen Personalkosten sowie der zunehmenden Notwendigkeit zur Effizienzsteigerung gerecht zu werden.

Die erste Key Note kam von Francesco Ingarsia, CFO von Scheaffler Holding (China) Co. Ltd.. Controlling ist das am schnellsten wachsende Team im Bereich Finanzen von Schaeffler China, denn schnelles Wachstum und zunehmende Komplexität des lokalen Geschäfts erfordern mehr professionelles Controlling vor Ort. Neben dem quantitativen Ausbau der lokalen Organisation ist die Investition in die Qualität des lokalen Personals ein wichtiger Erfolgsfaktor. So nehmen lokale Controller von Schaeffler China systematisch am „5-Stufen“-Ausbildungsprogramm der CA controller akademie in der Landessprache Chinesisch teil. Damit sollen „head and heart“ der lokalen Controller besser erreicht werden. Zum ganzheitlichen Konzept der Personalentwicklung gehören außerdem interne Schulungsmaßnahmen, Job-Rotation einschl. Wechsel in den Nicht-Finanz-Bereichen, internationaler Personalaustausch sowie individuelle Karriere- und Nachfolgeplanung. All dies trägt dazu bei, dass lokale Talente gewonnen und auch langfristig an das Unternehmen gebunden werden können.

Die zweite Key Note Rede wurde gehalten von Marc von Busse, Managing Director Administration von E. G. O. Components (China) Co. Ltd. Er zeigte die Veränderungen und die erzielten Erfolge im Bereich Finanzen & Controlling von E. G. O. in den letzten Jahren auf. Mit der Verbesserung der lokalen IT-Infrastruktur, wie z. B. erfolgreicher SAP-Einführung, und konsequenter Prozessoptimierung im Bereich Finanzen & Controlling soll nach seiner Ansicht eine Verschiebung des Schwerpunktes der lokalen Controllerarbeit erfolgen: weg von der einseitigen Konzentration auf die Aufgabe der Berichterstattung für HQ hin zur mehr und besserer Entscheidungsunterstützung für das lokale Geschäft. Nur so können die Controller Mehrwert für das lokale Geschäft schaffen und ihrer Rolle als Business Partner des lokalen Managements in den unterschiedlichen Bereichen besser gerecht werden.

1_vipredner_und_moderatoren

Referenten und Moderator des Forums 2016 (v.l.n.r.): Dr. Hans-Henning Toepper (UAES), Marc von Busse (E.G.O), Dr. Helmut Schoeneberger (E.G.O), Francesco Ingarsia (Schaeffler), Dr. Zhen Huang (Shanghai De Chen Consulting), Ruiyan Cen (Continental), Christoph Angerbauer (German Industry & Commerce Shanghai), Jo Santens (United Grinding), Alexander Prautzsch (PWC) und Lukasz Mehl (PWC). Weitere Redner (nicht auf dem Gruppenbild): Dr. Gerd Moehrke (Strategy&), Peter Richter (Wacker Chemicals) sowie Victor Zhang (Deloitte) und James Zhao (Deloitte).

Zum ersten Mal in seiner Geschichte bot das Forum in diesem Jahr den Teilnehmern unterschiedliche „Themen-Workshops“ an. Jeder Forumsteilnehmer konnte am Vor- und Nachmittag jeweils einen Workshop besuchen. Zu den Workshop-Themen gehörten „klassische Probleme“ des Controllings, wie z B. „Fast Track Reporting for HQ and Local Management“ und „Forecast and Planning in Volatile Business Environment“. Außerdem fand das Dauerthema „Transfer Pricing and Controlling“ das Interesse einer großen Anzahl von lokalen Finanzmanagern und Controllern. Schließlich rundeten wichtige Themen des Funktionscontrollings das Workshop-Programm ab, die im derzeitigen Marktumfeld in China große Aktualität und Bedeutung haben, wie z. B. im Bereich Vertrieb („Sales Controlling for Maintaining Healthy Growth“), Supply Chain & Logistik („Supply Chain Integration & Inventory Controlling“) sowie im Themenfeld Lean Management („Lean Management & Controlling“).

Im Workshop „Fast-Track Reporting für HQ and Local Management” stellte Peter Richter, Head of Controlling bei Wacker Chemicals China, den Workshop-Teilnehmern die Reporting-Praxis von Wacker Chemie in China vor. Er ging zuerst auf die zum Teil unterschiedlichen Anforderungen von HQ und vom lokalen Management in China an das Reporting ein. Dann erläuterte er die Voraussetzungen für eine schnelle, termintreue sowie inhaltlich und qualitativ empfängerorientierte Berichterstattung. Aus seiner Sicht spielen sowohl das IT-System, wie z. B. SAP bei Wacker China, als auch die Menschen und die internen Zielvorgaben große Rolle für erfolgreiches Reporting. Mit großem Interesse verfolgte das Publikum seine Erläuterung zum monatlichen Fast-Track-Reporting bei Wacker China. Diskutiert haben die Teilnehmer im Anschluss an seine Präsentation vor allem über die Fragen, wo der Nutzen des Fast-Track-Reporting liegt, und wie man vor allem die Datenqualität für Fast-Track-Reporting sicherstellen könnte. Gerade kleinere Unternehmen müssen Nutzen und Kosten der alternativen Praxis bei der Berichterstattung sorgfältig erwägen und empfängerorientiertes Reporting auch ohne große IT-Unterstützung wie von SAP betreiben.

Im Workshop „Forecast and Planning in Volatile Business Environment” trat Ruiyan Cen als Praxisreferentin auf. Sie ist Director Central Controlling bei Continental China mit besonderer Verantwortung für die Zentralcontrollingaufgaben der Automobil- und Kautschuk-Sparte auf dem Festland China. Die besondere Problematik der Prognosen und Planung im volatilen Markt schilderte sie mit dem aktuellen Beispiel aus dem Jahr 2015, in dem die chinesische Automobilindustrie große Marktschwankung in beiden Richtungen innerhalb von nur wenigen Monaten verkraften musste. Um schnell auf den volatilen Markt zu reagieren, sollte man nach ihrer Ansicht bereichsübergreifende Performancebesprechung im kürzeren zeitlichen Abstand, wie z. B. wöchentlich durchführen. Außerdem sollte die Flexibilität der Ressourcenallokation in den operativen Bereichen, z. B. durch Einsatz variablen Personals, erhöht werden. Auf das Thema des zunehmenden Wechselkursrisikos in China ging sie ebenfalls kurz ein. Die Teilnehmer diskutierten mit ihr über die Notwendigkeit von neuen Prognosemethoden, wie z. B. Rolling Forecast, die Möglichkeiten und Restriktionen für flexible Ressourcenallokation (z. B. im Personalbereich) im chinesischen Umfeld sowie konkrete Ansätze zur Steuerung von Wechselkursrisiken in China.

Für Firmen mit Leistungsverflechtungen zum Mutterhaus bzw. anderen verbundenen Unternehmen ist Transfer Pricing stets ein heißes Thema. Denn es wirkt nicht nur auf interne Performancebewertung sondern auch erheblich auf die Steuerlast und gegebenenfalls Zollabgaben des Unternehmens. Der Workshop „Transfer Pricing & Controlling“ war deshalb einer der Workshops mit der größten Teilnehmerzahl. Dr. James Zhao und Victor Zhang, beide Experten von Deloitte Shanghai mit vielen Erfahrungen in diesem Themenfeld, erklärten den Teilnehmern in ihrer Präsentation, was Transfer Pricing bedeutet, warum das Thema wichtig für Controller ist, welche aktuellen Anforderungen die chinesischen Steuerbehörden gestellt haben, und wie man das Thema am besten angehen soll. Diskutiert haben die Teilnehmer vor allem über die „Wie“-Frage. Dabei teilten Teilnehmer eigene Praxiserfahrungen mit der Runde.

Manager und Controller mit Interesse am Vertriebscontrolling bekamen im Workshop „Sales Controlling“ einen hoch interessanten Vortrag von Jo Santens, Geschäftsführer von United Grinding (ehemals Koerber Schleifling) in China. Aus dem Blickwinkel eines „non-finance“ Managers und anhand von konkreten Projektbeispielen seines Unternehmens teilte er mit dem Publikum seine Praxiserfahrungen zum Vertriebsmanagement und -controlling. Für ihn kann Vertriebscontrolling nur dann funktionieren, wenn das Thema von den lokalen Vertrieblern verstanden und auch akzeptiert wird. Neben Akzeptanz tragen auch andere kritischen Faktoren, wie z. B. die Verfügbarkeit und Qualität von Daten, Tools und IT-Systemunterstützung zum Erfolg des Vertriebscontrollings bei. Die langfristige Zielsetzung soll es sein, dass der Vertrieb zu einer schlanken und nach dem Prinzip von „Self-Controlling“ arbeitenden Organisationseinheit weiterentwickelt wird. Controller sollten sich daher nicht als Kontrolleure, sondern als Unterstützer und Förderer des Verbesserungsprozesses im Vertrieb positionieren.

Im Workshop „Supply Chain Integration & Inventory Controlling“ berichtete Dr. Hans-Henning Toepper, Senior Director Logistics bei United Automotive Electronics System (UAES), einem Joint Venture zwischen Shanghai Automotive Group und Robert Bosch, über Ansätze zur Supply Chain Optimierung und Bestandsreduktion. Im Vergleich zu europäischen Märkten stellt der chinesische Automobilmarkt eine Reihe von Herausforderungen für Supply Chain Manager dar: Volatile Nachfrageentwicklung, große Unsicherheit in der Prognose und Planung, Anforderung der lokalen Kunden an kürzere Reaktionszeit, zum Teil erheblicher Finanzierungsbedarf für die Forderungen etc. Flexibilität ist A und O. Westliche Unternehmen sollten nicht versuchen, Altgewohntes aus Europa unverändert nach China zu übertragen, sondern versuchen den lokalen Markt zu verstehen, zuzuhören, kundenorientiert zu denken und zu handeln. Mit einem nach dem Reifegrad der jeweiligen OEM Kunden differenziertes Vorgehen versucht UAES die Win-Win-Situation für alle Beteiligten zu schaffen. Für Controller, die sich primär um finanzielle Aspekte des Working Capital Managements kümmern, ist es wichtig zu verstehen, dass angestrebte Bestands- und Kostenreduktion nur über die Optimierung der hinter den Zahlen stehenden Prozessen zu realisieren sind.

Im Workshop „Lean Management & Controlling“ referierte ebenfalls ein „Nicht-Controller“. Dr. Helmut Schoenenberger, Managing Director Operations bei E. G. O. Components (China), hat langjährige Praxis-, Beratungs- und Trainingserfahrung im Themenfeld Lean Manufacturing & Management. Er erklärte den Teilnehmern wesentliche „Lean-“ Prinzipien und den historischen Ursprung der „Lean“-Gedanken. Lean Management im Sinne der Unternehmensführung nach den „Lean“-Prinzipien ist in allen Bereichen der Organisation einzuführen. So kann man neben Lean Manufacturing auch Lean R&D und Lean Administration, wie z. B. im Bereich Finanzen & Controlling realisieren. Zielsetzung ist es, Effizienz und Effektivität aller Aktivitäten im Unternehmen nachhaltig zu steigern. Aufgrund der Vielzahl von Themen/Tools von Lean Management konnte im Workshop nur eine kleine Auswahl von Themen besprochen werden. Am Ende des Workshops äußerten sich auch die anwesenden Controllerkollegen von E. G. O. China zu dem Thema, die aktiv im Lean-Projekt mitgewirkt haben. Für alle Workshop-Teilnehmer ist es klar, dass Controller einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg von Lean-Projekten leisten können, wie z. B. über Performance-/KPI-Messung. Mitwirkung in einem Lean-Projekt stellt aber auch hohe Anforderung an die Fähigkeiten des Controllers zur Kommunikation und bereichsübergreifenden Teamarbeit.

9_workshop_leanmanagement_b

 

Am Ende des Forums stand ein für viele Controller und Manager in Deutschland, wie auch in China hoch aktuelles Thema: „Industrie 4.0“. Dr. Gerd Moehrke, Principal von Strategy& (PWC) Shanghai, präsentierte im Plenum den aktuellen Stand der Entwicklung in China anhand von konkreten Fallbeispielen. Passend zur „Made in China 2025“- Strategie der chinesischen Regierung beschäftigen sich immer mehr staatliche wie private Unternehmen in China mit dem Thema. Einige davon haben bereits erfolgreich erste Projekte vor allem im Bereich „Smart Factory Solutions“ realisiert. Zum Thema „Industrie 4.0 & Controlling“ zitierte Dr. Moehrke aus der aktuellen ICV-Studie und wies darauf hin, dass sich auch die Controller in China mit dem Thema Industrie 4.0 beschäftigen müssen, weil man einen großen Beitrag zum Erfolg leisten kann, wie z. B. im Zusammenhang mit Business Case-Analyse, Performancemessung, Risikomanagement und Change Management.

Zufriedene Teilnehmer schlagen 2-Tage-Forum vor

Nach dem vorläufigen Ergebnis der anonymisierten Teilnehmerumfrage waren 97% der Befragten mit dem diesjährigen Forum „insgesamt zufrieden“, davon 45% „sehr zufrieden“. Manche Besucher haben sogar den Wunsch geäußert, dass das Sino-German Controlling Forum – im Analog zum jährlichen Controller Congress in München – zukünftig zwei Tage dauern sollte. Alle Befragten möchten das Forum an eigene Kollegen und Freunde weiterempfehlen.

Interessierte Leser können die „Online Event Zone“ besuchen, die Konferenzbroschüre von 2016 anschauen und in den kommenden Monaten die aktuelle Ankündigung der Organisatoren für das 2017 Forum beachten. Mehr Information über das Forum könnten Sie auch direkt vom Verfasser dieses Berichts erhalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert