“Von einem der auszog, Agilität zu lernen”

„Agilität“ und „Controlling“ – das passt! Hatte das nicht zuletzt der diesjährige, große Münchner „Congress der Controller“ schon mit seinem Titel, „Agiles Controlling in der digitalen Realität – Umbrüche erfolgreich managen“, postuliert? Oder passt es doch nicht – wie es in mancher kritischen Diskussion immer wieder heißt…? Ich habe ein fantastisches Angebot bekommen: Tief Eintauchen ins Thema mit einer professionellen Ausbildung zum „Agile Culture Coach“! In Blog-Beiträgen werde ich hier davon berichten.

Ein Jahr lang beschäftigt mich diese Ausbildung mit fünf mehrtägigen Modulen: „Agile Führung und Beteiligung“, „Agilität und Persönlichkeit“, „Agile Methoden und Scrum“, „Agile Teams und Konflikte“, „Agile Organisation und Kultur“. Gemeinsam mit 13 anderen Teilnehmern erlebe ich diese Ausbildung durch die SYNNECTA, einer Beratung für Organisationsentwicklung und Change Management in Köln. Zum dritten Mal findet der Kurs inzwischen statt, den die Gastgeber mit sichtbarem Stolz als „das Original“ bezeichnen.

„Agile Führung und Beteiligung“

Das erste 3-Tages-Modul ist „Agile Führung und Beteiligung“ überschrieben. Ein spannender Einstieg, bei dem es schon um viel mehr geht, als nur um eine Orientierung einschließlich Begriffsklärungen. Behandelt werden: „Agile strategy“ – Wie stellen wir uns auf?, „Agile leadership“ – Was heißt das alles für die Führung? sowie „Agile mindset“ – Warum Agilität? Was ist Agilität? Wie plane ich eine unvorhersehbare Zukunft?

Ja, was ist eigentlich „Agilität“? Verbreitet herrscht ein schwammiges Verständnis vor. Und es stimmt schon, was die beiden Trainer, Renate Standfest und Dr. Johannes Ries, sagen: Oft werde das Wort „agil“ sogar als Entschuldigung für nicht eingehaltene Termine, Verpflichtungen missbraucht. Überzeugend machen sie klar, dass „jenseits von Effekthascherei und Bullshit Bingo“ hinter dem Begriff „wertvolle Gedanken und Konzepte“ stecken, die Teams, Organisationen und Führungskräfte in der heutigen Zeit – sie nennen diese „VUCA-Situation“ – handlungsfähig machen.

Unsere „heutige Zeit“, geprägt von Digitalisierung, politischen Umbrüchen, Klimawandel usw., wird bekanntlich als „VUCA-Welt“ bezeichnet. Sie ist geprägt von „Volatility“ – Instabilität, rasche, grundlegende Veränderlichkeit, von „Uncertainty“ – Ungewissheit, ja Unberechenbarkeit, von „Complexity“ – Komplexität und von „Ambiguity“ – es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungszusammenhänge mehr, deshalb dominiert Mehrdeutigkeit. Wenn in dieser VUCA-Welt „lineare Methoden“ nicht mehr funktionieren; welche sind es dann?

„Agilität“? – Was ist das eigentlich? Unsere Kursleiter verweigern „die eine, 100-prozentige“ Definition. Sie verweisen vielmehr auf die „Dimensionen von Agilität“ und empfehlen als Grundlage das „Agile Manifest“. Dieses „Manifest für Agile Softwareentwicklung“ (2001 unterschrieben von 17 Personen aus dem Programmierer-Umfeld) verweist auf einige Schwerpunkte:

  • Sie erachten „Individuen und Interaktionen“ wichtiger als Prozesse und Werkzeuge;
  • einem „funktionierenden Produkt“ räumen sie einen größeren Stellenwert ein, als umfassenden Dokumentationen;
  • sie favorisieren die „Zusammenarbeit mit dem Kunden“ viel stärker als jede (Vertrags)verhandlung;
  • dem „Reagieren auf Veränderung“ räumen sie den klaren Vorrang gegenüber dem Befolgen eines Plans ein.

Abgeleitet aus diesem Manifest zählen die SYNNECTA-Experten 12 Prinzipien auf: Kundenzufriedenheit, Offenheit für Veränderung, iteratives Entwickeln, intensive Zusammenarbeit, Fokus auf ein motivierendes Umfeld, Face-to-face-Kommunikation, funktionierende Produkte als Fortschrittsmaß, gleichmäßiges Tempo, technische Exzellenz und gutes Design, Einfachheit, Selbstorganisation und Selbstreflexion. „Diese Auflistung fasst gut das Mindset zusammen, welches für das Funktionieren aller agilen Praktiken und Konfigurationen notwendig ist“, so Ries.

Effectuation: von Mittelorientierung, leistbarem Verlust u.a.

Die Ausbildung ist agilen Praktiken und Methoden gewidmet, die genannten Prinzipien zu realisieren. Aus der Softwareentwicklung stammend und inzwischen darüber hinauswirkend stammt etwa „Scrum“. Diese agile Methode (wird in Modul III der Ausbildung gründlich behandelt) versucht die „Aufwandskurve“ so gering wie möglich zu halten.

Ein höchst interessantes Thema im ersten Modul meiner Agile-Coach-Ausbildung ist „Effectuation“. Auch dabei geht es um ganz praktische Konsequenzen aus der sich verändernden Welt – insbesondere unserer Arbeitswelt. „Nicht das ‚entweder oder‘, sondern das ‚sowohl als auch‘ beherrscht sie“, erklärt SYNNECTA-Expertin Renate Standfest. „Wo die Zukunft ungewiss, die Umwelt gestaltbar und die Ziele verhandelbar sind, haben wir ein ideales Feld für Effectuation.“ Während wir „linear-kausale Prozesse“ der Problemlösung gewöhnt sind gelte es nun, Umstände, Zufälle und Ungeplantes als Gelegenheiten zu nutzen und sich eben nicht dagegen abzugrenzen. Großes Interesse wecken bei mir die vorgestellten vier Prinzipien von Effectuation:

  • Prinzip der Mittelorientierung: Anstatt Mittel und Wege auszuwählen bzw. zu schaffen um ein vorher festgelegtes Ziel zu erreichen, gilt es hier, Ziele und Ergebnisse zu finden, die sich mit einem gegebenen Set an Mitteln erreichen lassen.
  • Prinzip des leistbaren Verlusts: Man orientiert seinen Einsatz am leistbaren Verlust – und nicht am erwarteten Ertrag.
  • Prinzip der Umstände und Zufälle:  Umstände, Zufälle und Unerwartetes als Chancen nutzen, anstatt sich dagegen abzugrenzen.
  • Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften: mit denen eingehen, die bereit sind mitzumachen.

Das Modul I meiner Agile-Culture-Coach-Ausbildung ist aufgeladen mit einer Menge höchst interessanter Impulse. Ich bin überzeugt; das passt für die Controlling-Welt! Der gebotene Stoff: fesselnd und reichlich für die ersten drei Tage. Viel, viel Neues erfahre ich: von Dimensionen und Prinzipien der Agilität über Effectuation und faszinierenden Methoden wie Landscaping, Stacey-Matrix, Daily Meetup etc. bis hin zu Spielerischem wie dem Team-bildenden „Marshmellow-Spagetti-Contest“ oder auch dem ganz persönlichen Vorstellen der einzelnen Kursteilnehmer mit Hilfe von Lego- und Duplo-Bausteinen. (Bild: „Autoren-Selfie“. Wie sich der Autor den Kursteilnehmern „präsentierte“.)

(Berichte von weiteren Modulen der Agile Culture Coach Ausbildung folgen.)

Ein Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert