Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Controller und Wirtschaftsjournalisten haben viel gemeinsam. Controller kümmern sich um die Transparenz des Unternehmens aus der Innensicht, Wirtschaftsjournalist aus der Außensicht. Bei der Unternehmensberichterstattung haben sie eine gemeinsame Schnittmenge. Controller arbeiten an einer ausdrucksstarken und wirkungsvollen Berichterstattung für die Öffentlichkeit und den Kapitalmarkt. Wirtschaftsjournalisten haben diese Berichterstattung kritisch zu hinterfragen.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders reizvoll, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und zu fragen, wie führende Wirtschaftsjournalisten Aspekte der Unternehmensberichterstattung einordnen und bewerten.
Der Verfasser dieses Beitrages war zum Tag des Wirtschaftsjournalismus am 2. April 08 in Köln als Berichterstatter zugelassen. Diese Veranstaltung fand zum zweiten Male statt und wurde von der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e. V. ausgerichtet. Der gut besuchte Kongresse mit einem hochkarätigen internationalen Referententeam stand unter dem Motto: Eine Frage der Qualität: Welcher Wirtschaftsjournalismus hat Zukunft?
Auf der Basis eigener Informationen und Eindrücke, unterstützt durch den Tagungsbericht von Andreas Streim, im Auftrag der Kölner Journalistenschule (einsehbar unter URL http://www.tagdeswirtschaftsjournalismus.de), vermittelt dieser Beitrag nachfolgend einen Auszug aus dem Bericht des Verfassers zu dieser Tagung – bezogen auf die Unternehmensberichterstattung. Der vorliegende Bericht greift bezüglich der Redebeiträge auf den präzisen und korrekten offiziellen Tagungsbericht zurück und setzt auszugsweise auf diesen auf – und ergänzt den Tagungsbericht in vielfältiger Weise mit erläuternden, unterstützenden, aber auch kritischen und abweichenden Anmerkungen.
Die Unternehmensberichterstattung ist im Allgemeinen ein bedeutsames Arbeitsfeld der Wirtschaftsjournalisten. Auch hierzu hatten die Referenten Interessantes und Wissenswertes zu vermitteln.
Der Medienberater Ewald Wessling kritisierte, dass Wirtschaftsjournalisten eine Realität abbildeten, die nicht die der Menschen, ihrer Leser, sei. Wäre die deutsche Wirtschaft so, wie sie in den Zeitungen stehe, dann bestünde sie vor allem aus Banken, sehr vielen Medien, ein paar Versicherungen, aber praktisch nicht aus einem Mittelstand – der in der Berichterstattung fast nicht vorkomme. In der Tat ist zu beobachten, dass mittelständische Unternehmen, die oft erstaunlicher Erfolgsgeschichten vorzuweisen haben, relativ vernachlässigt werden. Aber auch anderer Themen und vor allem soziale und gesellschaftliche Zusammenhänge.
Nach Ansicht von Herbert Fromme, Versicherungskorrespondent der „Financial Times Deutschland“, interessiert die Unternehmensberichterstattung mehr Menschen als zumeist angenommen. Da seien Anleger, Beschäftigte, potenzielle Beschäftigte, Zulieferer oder auch Konkurrenten, die gerne wissen wollten, wie es einer Firma geht. Auch in den Vorstandsetagen großer Konzerne werde die jeweilige Berichterstattung über das eigene Haus sehr aufmerksam verfolgt. Er sehe auch keinen Unterschied im öffentlichen Interesse zwischen einem Vorstandschef von Daimler oder dem Ministerpräsidenten des Saarlandes.
Für Fromme macht eine gute Unternehmensberichterstattung aus, die „Geschichte hinter den Zahlen zu finden“. Man müsse herausfinden, was geht im Unternehmen vor – und das gelingt am besten darüber herauszubekommen, mit wem es gerade im Clinch liegt. Mit der Belegschaft? Der Konkurrenz? Der Politik? „Mit irgendeinem gibt es immer Streit“, so Fromme. Dabei seien bei der Recherche naive Fragen in Ordnung, aber man müsse sich schon auskennen, um die Zahlen zu bewerten.
Wirtschaftsjournalisten sollten im Kontakt mit Unternehmen mit allem rechnen, auch mit Lügen, hieß es weiter. Diese Erfahrung habe er in den vergangenen Monaten mehrfach machen müssen. Aber diese „offene Konfrontation“ sei eher die Ausnahme. Viel schlimmer für die Journalisten seien Schmeicheleien, das Lob der Vorstände, die sie dann noch hin und wieder mit einem kleinen Scoop füttern – und im Gegenzug dafür handzahme Berichterstattung bekommen. Wichtig sei eine „innere Distanz“ zu den Vorständen, aber „saufen mit denen muss man schon, auf jeden Fall“, sagte Fromme – denn auch so erfahre man vieles, was bei anderen Unternehmen vor sich gehe.
Mit ein wenig Heuchelei bei der Börsenberichterstattung räumte Stefan Ruhkamp, Finanzjournalist bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, auf. Gerne schimpften die Kollegen auf die Analysten, die die jüngste Krise nicht vorgesehen hätten und deren Dax-Prognosen nie wirklich zutreffen würden, die so oft daneben lägen und deren Aussagen eigentlich niemandem wirklich weiterhelfen könnten. „Aber das wissen wir Journalisten doch schon lange, wir gehen aber trotzdem immer wieder zu den Analysten“, so Ruhkamp. Den Grund sieht er darin, dass der Handel per se ungewiss ist, und „wir alle deshalb nach etwas Sicherheit gieren“. Die Römer hätten zu den Erfolgsaussichten von Unternehmungen die Vögel beobachtet, heute würde eher der Cash-Flow begutachtet, „aber leider ist die Trefferquote nicht besser geworden“, so Ruhkamp.
Diese ausgewählten Aussagen bedeutender Wirtschaftsjournalisten vermitteln ein buntes und vielschichtiges Bild. Zum einen hat „Wirtschaft“ stets mit Menschen und ihren Besonderheiten zu tun. Menschen lassen sich selten in ein Schema pressen. Es zeigt sich einmal mehr, dass die vielzitierte „Sicherung der Rationalität der Führung“ oft von Emotionen und allzu Menschlichem durchkreuzt wird. Es wird aber deutlich, dass Zahlen, Daten und Fakten bei näherem Hin- bzw. Dahintersehen von ihrem absoluten Charakter mitunter einbüßen. Nachforschungen und Ermittlungen sind zentrale Tätigkeiten der Wirtschaftsjournalisten. Im Fokus steht aber nicht nur, eine angemessene „Durchsichtigkeit“ wirtschaftlicher Verhältnisse zu erarbeiten, sondern ebenso, diese deutlich und verstehbar zu vermitteln.
Da Wirtschaftsaspekte zunehmend alle Lebensbereiche durchziehen, kann Wirtschaftsjournalismus, der sich nicht auf Börsenwerte und dergleichen einengt, ein sehr spannendes und facettenreiches Tätigkeitsfeld sein. Im Hinblick auf die Unternehmensberichterstattung zeigte diese Tagung insgesamt, dass es sehr darauf ankommt, die richtigen und treffenden Themen zu finden, diese gut und sicher zu recherchieren und zu analysiere und nicht zuletzt auch benutzerfreundlich und modern aufzubereiten.
Auf diesem Wege sind Controller und Wirtschaftsjournalisten Partner, aber auch Gegenspieler aufgrund unterschiedlicher Funktionen.
Wie sehen und bewerten Sie diese Fragen?
Viele Grüße
Alfred Biel