Rasanter als jeder ICE, so hat Prof. Dr. Sabina Jeschke die Teilnehmenden des Congresses mit auf die Reise genommen durch die Geschichte, Entwicklung, die Tiefen des aktuellen Stands, vor allem aber auf den Ausblick im Bereich Künstliche Intelligenz als Treiber der vierten industriellen Revolution. Die Vorständin für Digitalisierung und Technik der Deutschen Bahn AG überzeugte mit enormem Fachwissen, vor allem aber mit praxisnahen Beispielen. Entsprechend groß war der virtuelle Beifall, oft begleitet von anerkennendem „Wow“ in den Chatverläufen.
Dabei machte Prof. Jeschke von Anfang an klar: “Ich bin kein Controller. Ich will ihnen heute aber zeigen, wie KI wirklich funktioniert und wie sie einsteigen können“. Wichtig war ihr dabei zu betonen, dass es keine einheitliche, lineare Entwicklung gibt, sondern „drei Zündstufen“ – und: „Auf diese Entwicklung müssen wir uns heute schon einstellen“.
Rückblickend gesehen gibt es Künstliche Intelligenz bereits seit den 80er Jahren. Heute allerdings findet die KI nicht mehr im Labor statt, sondern hat die hochstrukturierten Umgebungen verlassen und ist in das Umfeld der Menschen eingetreten: „KI ist mitten unter uns!“. Jeschke verwies dabei auf zahlreiche Beispiele, etwa im Straßenverkehr. Im Unterschied zu früheren Zeiten gelte auch hier, dass die Vernetzung von intelligenten Systemen zum Standard geworden sei. So ist nicht mehr allein das Auto mit intelligenten Komponenten ausgestattet, sondern es ist in der Lage, mit den Komponenten in Ampelsystemen zu kommunizieren oder die jeweils aktuelle Umgebung in kürzester Zeit zu analysieren. „Wir haben intelligente Systeme, die als Einheit auftreten“, fasste das Vorstands-Mitglied der Deutschen Bahn den Status Quo zusammen.
Im gleichen Atemzug räumte sie mit einer häufig geteilten Fehleinschätzung auf, was Künstliche Intelligenz leisten kann. Oftmals werde betont, dass KI den Menschen einfache, automatisierte Aufgaben und Arbeiten abnehmen könne, aber nicht in der Lage sei, kreative Prozesse eigenständig zu übernehmen. „Das ist falsch. Wir bauen heute KI, die Musik machen, Texte schreiben und Bilder von Picasso so nachstellen kann, dass es Experten braucht, um die Echtheit festzustellen“. Grundlage dafür sei, dass KIs inzwischen Kontextwissen entwickeln, weil sie sich in realen Welten aufhalten und dazulernen. Jeschke: „Das ist eine Form von Intelligenz, die schwer bewertbar ist, weil sie anders ist als die eigene.“
Den Entwicklungspfad für die Künstliche Intelligenz, vom einfachen Lernen bis hin zu der Fähigkeit, eigene kreativen Leistungen zu erreichen, beschrieb Prof. Dr. Sabina Jeschke im Vortrag sehr detailliert, ohne die Teilnehmenden angesichts der Komplexität der Thematik zu überfordern, indem sie auf viele Beispiele und eine auch für Laien einfache, klare Sprache setzte. So belegte sie sie verschiedenen Lernstufen „Supervised“, „Unsupervised“ und „Reinforcement“ mit Beispielen und Bildern aus dem Alltag, von Tom & Jerry bis hin zu den „Blinde Kuh“-Spielen. Wie sich Künstliche Intelligenz entwickelt und weiterentwickeln kann, hänge dabei ab von der Bereitstellung von Informationen und Daten. Im „Supervised“-Modus erhält das System klare Angaben („das ist Tom, das ist Jerry“), während im „Unsupervised Learning“ das System gefordert sei, Zusammenhänge selbst anhand von Ähnlichkeiten ausfindig zu machen. So könnten auch Ursache-Wirkungsbeziehungen hergestellt werden, die zuvor als solche nicht erkennbar waren. Beim „Reinforcement“ wiederum lerne das System über Trial & Error – vergleichbar mit dem Kinderspiel „Blinde Kuh“, in dem der Spieler sich über „Heiß“ und „Kalt“ dem Ergebnis und der Erkenntnis nähert. Die mächtigsten Beispiele Künstlicher Intelligenz bringen alle drei Ansätze zusammen, erklärte Sabina Jeschke und verwies dabei auf das Brettspiel „GO“. Es verfügt über eine weit höhere Komplexität als Schach und hat als Engine in der digitalen Variante mit Spielzügen gewonnen, die nie zuvor ein Mensch gemacht hat, weil sie auf den ersten Blick abwegig erscheinen könnten.
Ein weiteres wichtiges Thema für Jeschke war, die Wichtigkeit der Standards 5G und 6G zu betonen, denn nur, wenn die Konnektivität gegeben sei, um Daten schnell zu verknüpfen, sei etwa autonomes Fahren möglich. Das gelte auch für die Deutsche Bahn, die mit dem Projekt „Digitale Schiene Deutschland“ bereits dabei sei, sowohl die Züge als auch die Schienensysteme intelligent zu machen und entsprechend zu verknüpfen. Angesichts des demografischen Wandels sei aber weniger die Künstliche Intelligenz das Nadelöhr, sondern vielmehr die schiere Anzahl an Menschen, um das autonome Fahren auf der Schiene zu realisieren.
„Jetzt werden Sie sicher fragen: Warum brauchen wir eigentlich 6G, wenn 5G schon so gut ist?“, nahm die Referentin mögliche Fragen vorweg und betonte: „Je besser die Latenzzeit ist, umso mehr kann man z.B. beim Autofahren Unfälle vermeiden, weil die Reaktionszeit verkürzt wird“. Doch damit nicht genug. Mit 6G rücke ein weiteres neues Zeitalter in greifbare Nähe: beim „taktilen Internet“, das mit 6G ermöglicht werde, sind laut Jeschke nicht nur Hören und Sehen, sondern auch Riechen und Tasten möglich. „Wenn Sie dann ein Kleid im Internet bestellen wollen, können Sie es davor auch schon anfassen“, so ihr Ausblick mit dem Hinweis darauf, welche weitreichenden Auswirkungen das für die weitere Marktentwicklung habe.
Allerdings gebe es derzeit noch ein fundamentales Problem auf dem Weg zu 6G, nämlich die Datenmengen, die innerhalb von kurzer Zeit transportiert werden müssen. „Die aktuelle Rechner-Hardware stößt damit bereits an ihre Grenzen“, weiß Jeschke. Deshalb müsse und werde parallel mit Hochdruck an „Quantum Computing“ geforscht und weiterentwickelt. Jeschke verspricht sich davon „einen revolutionären Durchbruch“ in allen gesellschaftlichen Bereichen von den Aspekten Medizin bis hin zur Klimaforschung.
Mit Blick auf das Controlling betonte Sabina Jeschke abschließend, dass es kein Standard-Tool oder -Vorgehen gebe, um KI im Unternehmen voranzubringen. Es gelte aber generell, immer in Abhängigkeit der jeweiligen Aufgabe alle relevanten Daten zu verstehen, zusammenzuführen und zu analysieren, um von da aus zu einer intelligenten Steuerung des Unternehmens zu kommen. Perspektivisch gesehen würden aber KI-Techniken in Zukunft zunehmend unterstützen, um Ursache-Wirkung im Unternehmen besser zu verstehen.