Zum Jahresende taucht häufig die Frage auf, was getan werden, um “böse” Überraschungen zum Jahresende zu vermeiden. Es kommt immer wieder vor, dass Verkäufer bei Abweichungen in der ersten Jahreshälfte sagen: “Diese Abweichung wird sich über die Projektlaufzeit wieder ausgleichen!” Ich nenne diese Vorgehensweise “Prinzip Hoffnung”. Positives Denken mag für sich betrachtet nicht negativ sein, kann aber für eine rechtzeitige Gegensteuerung kontraproduktiv sein. Dennoch existiert häufig das Verhalten, Abweichungen erst dann anzuerkennen, wennn sie absolut nicht mehr vermeidbar sind; eben zum Ende. Dann wird ein richtiges “Gewitter” als weniger schmerzhaft empfunden, als “dauernde” Vorhaltungen schon während einer frühen Phase.
Was ist nun zu tun, um Abweichungen frühest möglich anzukündigen, damit noch bestmögliche Gegensteuerungsmaßnahmen zur Abweichungsminimierung ergriffen werden können?
1. Es müssen Forecasts zum (Projekt-) Ende eingeführt werden, die mit dem tatsächlichen Ist am Ende abgeglichen werden. Jeder früher eine Abweichung angekündigt und im Forecast berücksichtigt wirde, desto besser für den Zuständigen. Dafür sollte er belohnt werden, vielleicht auch finanziell. Je später er eine Abweichung ankündigt, desto weniger Möglichkeiten hat das Unternehmen in der Gegensteuerung. Daher sollten (zu) spät angekündigte Abweichungen auch zu finanziellen Abzügen führen, z.B. in einer prozentualen Reduzierung einer Erfolgsprämie.
2. In die Steuerung wesentlicher Bereiche (Tochtergesellschaften, Projekte, …) etc. sollte neben der fachlichen Leitung eine kaufmännische Servicefunktion (Controller) installiert werden, die der (kaufmännischen) Leitung der übergeordneten Ebene disziplinarisch unterstellt ist, und zu deren Zielvereinbarungen eine frühestmöglich angekündigte Abweichung gehört. Insofern hat man auf der “untergeordneten” Ebene ein 4-Augen-Prinzip, das zwar etwas mehr Konfliktpotenzial in der Kommunikation erzeugt, aber vor unliebsamen Überraschungen besser schützen kann.
3. Schließlich sollte ein Vertrauensklima geschaffen werden, in dem es erlaubt ist, Abweichungen zu haben und diese auch zu kommunizieren, da kein Planender ein Hellseher ist.
Planung ist immer Entscheidungsfindung unter Unsicherheit und daher sollten (erstmalige) Abweichungen als Steuerungssignale und nicht als Schuldbeweise interpretiert werden. Treten jedoch wiederholt Abweichungen im selben Sachverhalt bei derselben Person auf, ist die Beurteilungs- und Interpretationsfähigkeit durch den fachlichen Vorgesetzten gefordert.