Die Zukunft der europäischen Währungsunion

Dr. Bernd Speyer, Co-Head DB Research, berichtet über

1. den Status Quo der Euro-Schuldenkrise
– Die Finanzmärkte reagieren gelassen auf die politischen Entwicklungen in diesem Jahr. Das liegt wahrscheinlich an folgendem “Dreiklang”: 1.) politische Bekenntnisse zur EWU; Konsolidierung; Deregulierung, Reformen; 2.) EFSF/ESM (finanzieren einen Teil der Anpassung unter Konditionalität); 3.) die EZB schafft Zeit für Reformen.

– Das BIP in der EWU in 2013 wahrscheinlich um -1% BIP gg. Vj. ausfallen wird.

– Die historisch hohe Arbeitslosigkeit in der EWU beinhaltet sozialen Sprengstoff.

– UK hat keine Euro, aber ist trotz Wechselkursveränderungen nicht erfolgreicher als die Euro-Zone.

2. Fortschritte bei der Anpassung

– Die fiskalische Konsolidierung kommt langsam voran
– Die Wettbewerbsfähigkeit erhöht sich durch einen Rückgang der Lohnstückkosten in Euroland.
– Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb der EWU
– Der Bankensektor stabilisiert sich (Einlagen kehren zurück, aber noch kein Kreditwachstum)
– EZB-Bilanz verkürzt sich wieder

– Warum herrscht in der Realwirtschaft noch immer die Rezession? Die Rezession nach einer Überschuldung dauert deutlich länger! Die große Verschuldung der Euroland-Zone vor der Krise ist noch lange nicht zurückgeführt. Dieses Dilemma wird die europäische Wirtschaft noch über Jahre beeinflussen.

– Welche Optionen gibt es: 1.) Wir wachsen durch ein hohes Nominalwachstum aus der Krise heraus. Diese Option ist eher unwahrscheinlich für Europa. Eine weitere Option wäre Sparen. Diese Option wird zurzeit gewählt. Sie führt über einen längeren Zeitraum zur Deflation. Außerdem können nicht alle Länder gleichzeitig Überschüsse erzielen. Eine weitere Möglichkeit wäre die finanzielle Repression. Dabei wird der Privatsektor gezwungen, in Staatschulden zu investieren (z.B. Vermögensabgaben). Schließlich besteht noch die Möglichkeit eines Schuldenschnitts (Gläubiger leiden; Vermögensverlust).

– Die Überwindung der Schuldenkrise ist ein langer steiniger Weg, wodurch das Wachstum in Europa noch über eine längere Zeit gedämpft sein dürfte.
– Diese Anpassung wird durch einen Politikfehler erschwert, da europäische Staatsanleihen seit der Griechenland-Krise kein risikofreies Aktivum mehr sind. Dadurch werden die Refinanzierungskosten der Staaten auf Dauer erhöht.

3. Institutioneller Rahmen

Innerhalb der letzten 3 Jahre sind sehr viele Anpassungen im institutionellen Rahmen erfolgt, wovon im Einzelnen die Bereiche Wirtschaftsunion (z.B. stärkere Überwachung der Haushaltsplanung und der Haushaltspolitik sowie stärkere und schnellere Sanktionen), Bankenunion (z.B. gemeinsames Regelwerk), Fiskalunion (z.B. angemessene Fiskalkapazität zur Abfederung asymmetrischer Schocks) und politische Union (z. B. stärkere Mechanismen für demokratische Legitimität und Rechenschaftspflichten). Es geht darum, einem Ungleichgewicht vorzubeugen.

4. Politische Risiken

Wir stehen vor dem gleichen Problem wie bei den “Schröderschen Reformen (Agenda 2012)”. Die Entscheidung und die positiven Effekte fallen zeitlich deutlich auseinander. Halten das die Regierungen und die Bevölkerungen aus? Weitere Risiken: Zypern: Erfolg des Anpassungsprogramms; Italien: Regierungsbildung; Spanien: eigentlich eine “Erfolgsstory” in der Finanzkrise (aber: verpasst Rajoy wieder den richtigen Zeitpunkt?); Das eigentliche Problem im Reformprozess ist Frankreich, gerade weil es kein eigentliche Krisenland ist. Mit Frankreich entscheidet sich maßgeblich die Zukunft der Währungsunion. Gelingt es Frankreich, sich den “nördlichen” Gläubigerländern anzupassen? Die Zeit für tiefgehende Reformen wird knapp. Neben der Reformbereitschaft Frankreichs entscheidet sich die Zukunft der europäischen Union insbesondere durch die Mitgliedschaft UK’s in der Union, über die noch nicht offensiv diskutiert wird

Fazit:
– Der Anpassungsprozess der Peripherie läuft, wird aber noch dauern und bleibt anfällig für Schocks
– Ein kraftvoller institutioneller Rahmen für die Währungsunion entsteht (Disziplinierung der Wirtschaftspolitik; Bankenaufsicht; Anreizstrukturen sind noch eine Herausforderung
– die Schuldenkrise wird uns noch lange begleiten (nicht nur staatliche Schulden; nur die Wahl zwischen schlechten Alternativen)

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