Junge Controllerin im Gedankenaustausch mit ICV-Vorsitzendem

Eine junge Controllerin tauscht ihre Gedanken zu einem Interview des ICV-Vorsitzenden im “Controller Magazin” (Ausgabe Sept./Okt. 2008) per e-Mail mit ihm aus. Frage und Antwort analysieren treffend den oft sehr unterschiedlichen Zustand der Controller. “Businesspartner des Managements” oder “Erbsenzähler”?? – Fragestellerin und Antwortgeber waren gerne bereit ihren Gedankenaustausch hier im ControllingBlog öffentlich zu machen. – Weitere Gedanken und Meinungen sind dabei willkommen!

e-Mail an den ICV-Vorsitzenden, Siegfried Gänßlen, CEO der Hansgrohe AG, vom 29.03.2009:

Betreff: Feedback; Ihr Artikel zum Thema “Business Partnering: Mitarbeiter fordern und fördern

Sehr geehrter Herr Gänßlen,

Ihr Interview zum Thema “Business Partnering” der Ausgabe September/Oktober 2008 im “Controller Magazin” hat mir sehr gut gefallen. Auch wenn bereits ein paar Monate vergangen sind, möchte ich kurz Stellung zu Ihrem Artikel nehmen.
Sie sprechen in Ihrem Interview die Förderung und Einbindung der Mitarbeiter/Controller als Beratungs- oder Unterstützungsfunktion des Managements an und gehen hierbei darauf ein, dass neben Fachwissen die Fähigkeit abverlangt wird “partnerschaftlich” das Management auf Lösungsansätze strategischer Entscheidungen hinzuweisen. Das wiederum setzt voraus, dass der Controller in strategische Entscheidungen eingebunden bzw. von ihnen in Kenntnis gesetzt wird.
Das Bild des Controllers als “Erbsenzähler” hat ausgedient, aber wird es auch überall so gelebt? Sie schreiben, dass es gerade für jüngere Mitarbeiter wichtig ist gefördert zu werden und dass ihnen die Chance gegeben werden sollte sich aktiv einbringen zu können. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass leider häufig das Reporting im Vordergrund steht und Meinungen zu bestimmten Themen nicht immer gehört werden wollen. Für einen Controller, der eine Beraterfunktion einnehmen sollte, ist es Voraussetzung, dass er sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit den Prozessen eines Unternehmens auseinandersetzt. Dieses wiederum setzt die Bereitschaft des Managements voraus, dass ihm die Zeit gegeben wird an die Informationen zu gelangen, bzw. dass einem Controller die Möglichkeit und Zeit eingeräumt wird, die einzelnen Bereiche der Wertschöpfungskette zu verstehen. Nur so kann er die Steuerungskennzahlen umfassend interpretieren. Die Brücke zur Basis muss vorhanden sein. Das Problem ist, dass einem Controller aber nicht immer diese Möglichkeiten eingeräumt werden. Dass sich eine Einarbeitung auf das Befüllen von unterschiedlichen Analysetools beschränkt bzw. eben doch die Haupttätigkeit auf diverse Berichterstellung gerichtet ist, die es gilt im Folgenden dem Management vorzulegen. Was ist, wenn dem Controller nicht die Zeit bleibt das sogenannte Zahlenwerk zu hinterfragen und kritisch zu betrachten und sich eben die Tätigkeiten zum größten Teil auf das Erstellen diverser Auswertungen beschränken?
Als ich Ihren Artikel las, war ich sehr beeindruckt! Da ich seit 6 Jahren Erfahrungen im Controlling und Prozessmanagement gesammelt habe und mich mit Kollegen und Bekannten über das Thema mehrmals ausgetauscht habe, bin ich durch Ihr Interview sehr nachgedenktlich geworden. Leider habe ich nie die Erfahrung sammeln können, dass ich an Weiterbildungsmaßnahmen oder Fachseminaren zum Thema Controlling eingeladen wurde. Möglicherweise steht das in Verbindung mit der entsprechenden Förderkultur oder aber auch mit der Einstellung, wie Controlling eigentlich gelebt werden soll. Aus diesem Grund habe ich mich privat für ein Aufbaustudium entschieden, da ich mich fachlich sowie persönlich weiterentwickeln möchte. Offensichtlich ist die Spannweite von gelebten Controllingkulturen sehr breit gefächert. Es gibt moderne Unternehmen, die das Bild, welches Sie in Ihrem Interview aufzeigen, eindeutig in den Vordergrund stellen und auch leben sowie Unternehmen, die Controllingtätigkeiten eher dem Bereich Reporting zuschreiben. Genau hier liegt der Wendepunkt, in dem Controlling vom spannenden Feld der Beratertätigkeit zum eher demotivierenden Feld der “Erbsenzählerei” wird und die Mitarbeitermotivation stark beeinträchtigt.
Während des Studiums bekommen Studenten ein sehr spannendes Bild des Controllings vermittelt. Es wäre sehr positiv, wenn sich auch das in der Praxis sehr häufig genauso umsetzen ließe. Aus diesem Grund finde ich es sehr wichtig, dass häufiger Artikel zu diesem spannenden Thema öffentlich angesprochen oder diskutiert werden und sich somit die Entwicklung immer mehr in das Bewusstsein des Managements verankern sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Silke Richter

(Am 15.04.2009 sandte Siegfried Gänßlen folgende Antwort an die Fragestellerin.)

Betreff: Feedback: Artikel zum Thema ‘Business Partnering: Mitarbeiter fordern und fördern’

Sehr geehrte Frau Richter,
zuerst vielen Dank für das Feedback, über das ich mich sehr gefreut habe.
Der Controller als Erbsenzähler ist ja mittlerweile zum  ‘running gag’ in den Unternehmen geworden. Ich selbst habe erlebt, dass neben der beruflichen Qualifikation die Persönlichkeit des Controllers sowie die Unternehmenskultur entscheidende Faktoren sind, ob der Controller als Business Partner des Managements gesehen wird.
Sie treffen auch den Nagel auf den Kopf, wenn Sie die Spannweite der Controllerkulturen als sehr breit gefächert sehen. Ich erlebe das genauso. Außerdem gibt es auch Unterschiede von Land zu Land.
Ich habe durch meine Arbeit in internationalen Gesellschaften erlebt, dass in USA und UK die Controller sehr praxisnah aber auch wiederum an Spezialaufgaben (Treasury, Taxes, Investments etc.) arbeiten. In Deutschland liegt die Hauptverantwortung auf Buget-Orientierung, Soll-IST-Vergleich aber auch immer stärker auf Aufgaben innerhalb der Strategie. Interessant ist, dass das Controller-Leitbild des ‘Institute of Management Accountants’, USA Ende letzten Jahres dem Leitbild des ICV angenähert wurde. Das zeigt, dass die Arbeit des ICV und dessen Mitglieder in die richtige Richtung geht.
Ich würde gerne Ihr Schreiben und meine Antwort als Blog auf die Website des ICV einstellen. Wir können dann sicher dieses Thema gut diskutieren, aber auch den Gedanken des Controllers als Business Partner beim Management verankern.
Wären Sie einverstanden?
Danke für den Input.

Beste Grüße aus dem Schwarzwald.

Siegfried Gaensslen
Vorstandsvorsitzender/Chief Executive Officer

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