Roland Koch, Vorstandsvorsitzender von Bilfinger SE, Mannheim, und Ex-Ministerpräsident von Hessen, berichtet über den Change-Prozess bei Bilfinger und auch seinen eigenen beruflichen Transformationsprozess in den letzten 3 Jahren, insbesondere der Kontakt zu den “Finanzern” im Unternehmen. Im Change-Prozess ist es ist klug, eine Spaltung im Unternehmen zwischen Visionären und Finanzern zu vermeiden. Die Bauindustrie ist nicht mehr das wesentliche Geschäft von Bilfinger. Der Strategie-Wechsel ist dabei nicht als Geringschätzung gegenüber dem bisher Geleisteten zu sehen. Bau-Industrie ist das Management von unvorhergesehenen Dingen und dabei schauen die Aktionäre immer auf das nächste Quartalsergebnis, das entsprechend sehr volatil ist. Dabei zeigt die deutsche Bauindustrie auch noch im internationalen Vergleich eine unterdurchschnittliche Rendite. Diese Volatilität ist mit Stabilität zu verbinden. Dabei kann man aber nicht alles kombinieren. Dabei ist die Herausforderung, den “denkenden” Ingenieur mit demjenigen zu verbinden, der den Service erbringt. Diese beiden sind nur schwer zu verbinden. Daher hat sich Bilfinger entschieden, zukünftig überwiegend Services anzubieten.
Der EBITDA ist sein 2009 immer besser geworden und der Anteil des Baugeschäftes wurde immer geringer. Daher hat Bilfinger heute stabilere und höhere Ergebniserwartungen als in der Vergangenheit und im Vergleich zur Bauwirtschaft.
Es gibt 3 große Bereiche im Markt, mit denen sich Bilfinger zukünftig beschäftigen wird: Industrieanlagen, Kraftwerke u. gewerbliche Gebäude, zwischen denen Synergie-Effekte bestehen. Dabei haben wir uns Folgendes überlegt, was durchaus nicht neu ist: Was ist von dem, was wir tun, betriebsnotwendig? Was benötigt ein spezielles Know-How, was nur wir haben und haben wollen? Womit kann ich mich vom Wettbewerb dauerhaft abgrenzen? Was ist mein Interesse an diesem Segment? Habe ich z.B. Interesse an Standards?
Insbesondere der Trend zu einheitlichen (Mess-)Standards ist in diesen Branchen aus unser Sicht ähnlich: Wir verkaufen Standardisierung, eine hohe Verlässlichkeit und internationale Präsenz in diesen Segmenten.
Dazu müssen sie ein Unternehmen werden, das als Ganzes eine neue Idee hat, nicht nur Services als neues Angebot im Portfolio. Das muss man gemeinsam erkennbar sein.
Die Frage, dass wir kein Bauunternehmen mehr sind, ist auch eine Frage, die sich im Kopf jedes Mitarbeiters widerspiegelt. Dazu braucht es ein neues Branding. Wenn man bündelt, d.h. z.B. Schnittstellen “nach Außen”, d.h. an uns, vergibt (=Outsourcing), erhöht sich natürlich das Komplexitätsniveau und damit auch das Risiko für uns. Wir haben jetzt eine Organisation, in der die Mitarbeiter wissen, dass sie aufeinander angewiesen.
In diesem Change-Prozess braucht es neben dem einheitlichen Branding, einer einheitlichen Organisation auch einen gemeinsamen Geist. Mit letzterem hatten wir die größten Probleme.
Für den Erfolg in unseren Märkten muss zunächst sichergestellt werden, dass die Interaktion durchdacht werden kann, d.h., das wir verstehen, was der Kunde will. Um besser als die Wettbewerber zu sein, dürfen wir nicht nur Makler sein, sondern müssen auch eine eigene hohe Wertschöpfung schaffen, d.h. 70% der Wertschöpfung stammt aus dem eigenen Haus.
Wir haben ein komplexes instabiles Geschäft. Das hat sich auch die Incentivierung zu berücksichtigen. Es haben darin neben monetären Aspekten auch Elemente wie den Stolz, ein Projekt erfolgreich geschafft zu haben, Eingang zu finden.
Insbesondere stehen wir vor folgenden Herausforderungen: Können wir organisch wachsen, durch eine genügende Anzahl eigener Ideen? Wie können wir die Integration weiter vorantreiben? Wie können wir in den nächsten Jahren 800 Mio. Investitionsvolumen für Akquisitionen “in der Welt” sinnvoll einzusetzen? Wie können wir in den Wachstumsmärkten der Welt wachsen, mit einem adäquaten Risikomanagement? Diese Herausforderungen sind durchaus spannend und gehören zum Bereich “Management hoher Komplexität”, was auch Bestandteil meiner früheren Tätigkeit war. Wenn die EBITDA-Zahl nicht mehr stimmt, lag das Problem auf der Zeitachse viel früher. Daher benötigen wir ein sensibles Geflecht zur Messung der Unternehmens-Performance und –Entwicklung. In einem ersten Schritt ist das Bilfinger sehr gut gelungen, aber die Anforderungen ändern sich ständig, aber bislang ist es uns recht gut gelungen, diese Veränderungen richtig einzuschätzen.