Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D., Vorstandsmitglied der Friedrich Naumann Stiftung, Tutzing
Die Digitalisierung erfasst alle beruflichen und privaten Lebensbereiche. Sie hat wie jede technologische Entwicklung Chancen und Risiken. Mit der richtigen technischen und rechtlichen Gestaltung muss versucht werden, die unterschiedlichen Interessen der Wirtschaft, der Nutzer und der staatlichen Institutionen auszugleichen. Das ist angesichts der dynamischen Entwicklung von Big Data und dem Internet der Dinge eine wirkliche Herausforderung. Datenschutz und Privatsphäre sind grundlegende Werte, die in der Menschenwürde des Einzelnen begründet sind.
– Die Digitalisierung hat sich seit 20 Jahren entwickelt, nicht von gestern auf heute.
– Die Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche und das unterscheidet sie von bisherigen technischen Innovation. Täglich werde unvorstellbare Datenmengen erfasst, deren techn. Verarbeitung kaum noch Grenzen gesetzt sind. Das Verhalten der Menschen wird immer transparenter und von Unternehmen für ihre Zwecke ausgewertet. Es betrifft auch immer Daten mit Bezug zu Personen. Künftiges Verhalten soll vorhersehbarer werden. Da werden Datenschützer wachsam!
– Von dieser Digitalisierung profitieren u.a. Computerhersteller, Handyproduzenten, der Handel, …. Profitiert aber auch der Einzelne davon?
– Wer schaut auf die Risiken und Nebenwirkungen (wie bei Medikamenten), neben den großen Chancen? Unstrittig ist: Daten sind Macht!
– Das Risiko für den Einzelnen sind insbesondere Gefahren für die Selbstbestimmung und den Schutz seiner Privatsphäre.
– Für Mark Zuckerberg (Facebook-Gründer) ist Privatsphäre ein überkommenes Konzept, ein Anachronismus. Selber hält er aber seine eigene Privatsphäre sehr geschützt.
– Der Datenschutz hat nicht immer Konjunktur. Da gibt es immer ein Auf und Ab. Immerhin: 56% Prozent der Bürger schätzen im Moment dem Schutz ihrer Privatsphäre eine große Bedeutung bei.
– Daten von deutschen Bürgern liegen häufig auf US-Servern mit einem anderem rechtlichem Umfeld und anderen Zugriffsmöglichkeiten.
– Deutschland hat, historisch begründet, einen anderes Verständnis vom Datenschutz.
– 1983 hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Volkszählungsurteil das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde etabliert.
– Wir brauchen den richtigen Gestaltungsrahmen für das Leben unserer informationellen Selbstbestimmung und der muss europäisch sein, eher sogar international, inklusive USA.
– Die europäische Union hat an diesem Gestaltungsrahmen 4,5 Jahre gearbeitet und eine einheitliche Datenschutzrichtlinie erarbeitet, die in Kürze in Kraft treten und alle Unternehmen binden wird. (s. http://europa.eu/rapid/press-release_STATEMENT-16-1403_en.htm )
– Dabei ist für deutsche Unternehmen u.a. entscheidend, da es den “Wettbewerbsnachteil” deutscher Unternehmen in Bezug auf den Datenschutz aufhebt. Internationale Konzerne verlegten z.B. ihren “Europa-Sitz” nach Irland, um u.a. dem deutschen Datenschutzgesetz auszuweichen. Damit ist durch das einheitliche Datenschutzgesetz für die EU jetzt Schluss! Dabei sind u.a. folgende zwei Aspekte interessant:
— Souveränität des Nutzers wird gestärkt (er muss mit seiner Datennutzung einverstanden sein; die Datenschutzerklärung muss verständlicher sein)
— Grundsatz der Datensparsamkeit in Bezug auf personenbezogene Daten wurde formuliert
– Bill Gates, Stephen Hawking u.a. halten es für möglich, dass angesichts der technischen Entwicklungen ein Zeitpunkt kommen kann, an dem Maschinen statt Menschen Entscheidungen treffen. Auch Maschinen müssen sich innerhalb von Rechtsnormen verhalten. Das ist die Aufgabe der Politik, hier Vorgaben zu entwickeln. Diese Überlegungen sind zwar eher ein Szenario von Überübermorgen, über den aber jetzt bereits ein Diskurs geführt werden sollte.
– Um auf den Datenschutz einwirken zu können, ist auch eine entsprechende Medienkompetenz und Ausbildung (in den Schulen) erforderlich.
– Dass Datenschutzbemühungen zu Erfolg führen können, zeigt das Urteil des EUGH zur Aufhebung des Safe-Harbour-Abkommens.
– Außerdem sollten Unternehmen darauf Einwirken, dass im Bereich der Datensicherheit der Staat keinen generellen “Schlüssel” bekommen sollte, um kryptographierte Daten entschlüsseln zu können, wie es beim Beispiel das FBI von Apple in 2015 und 2016 mehrfach gefordert hat. Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/FBI%E2%80%93Apple_encryption_dispute